Anna Fienbork: „Adoptiert“ | Literaturhinweise

Adoptiert

Eltern haben, aber nicht ganz
Ein Dach über dem Kopf haben, aber keine Wurzeln
Aufgenommen sein, aber niemals gefunden
Gefüttert, aber nicht genährt.

Gesichter, in die man schaut, aber niemand, in dem man sich selbst erkennen kann
Einen Platz haben, aber niemals ganz dazu gehören
Sich durch die Welt bewegen, ohne das Gefühl, ein Recht darauf zu haben, sie ganz zu bewohnen.

Weggegeben: sich immer falsch fühlend
Abgeholt: für immer in der Schuld stehend
Versorgt: doch allein in den Winkeln des Niemandslandes.

Ein kleines Kind auf einem leeren Bahnhof
Es kennt seine Sprache nicht
Es weiß nicht, woher es kommt
Es weiß nicht, wohin es geht
Verloren – in Zeit und Raum
Allein.

Anna Fienbork

 

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Photo by Bonnie Kittle on Unsplash

Literaturhinweise:

Alberti, Bettina: Die Seele fühlt von Anfang an. Wie pränatale Erfahrungen unsere Beziehungsfähigkeit prägen. Kösel Verlag, 9. Auflage, München 2005
—> Großartiges Buch darüber, wie die pränatale Zeit uns prägt

Bonus, Bettina: Mit den Augen eines Kindes sehen lernen.
Band I: Zur Entstehung einer Frühtraumatisierung bei Pflege- und Adoptivkindern. Books on Demand, Norderstedt, 2006
—> Gibt gute Einblicke in das Innenleben von Adoptiv- und Pflegekindern. Gute Fallbeispiele. Schafft viel
Verständnis für die Traumatisierung durch Adoption.

Bonus, Bettina: Mit den Augen eines Kindes sehen lernen.
Band II: Die Anstrengungsverweigerung. Books on Demand, Norderstedt, 2006
—> Fallbeispiele in Bezug auf Anstrengungsverweigerung und deren Ursachen.
Beide Bücher von Boden sind hilfreich, sich in die Welt von Adoptiv- und Pflegekindern einzufühlen und für Adoptiv- und Pflegekinder, um sich selber darin an der ein oder anderen Stelle erkennen zu können.

Fienbork, Anna: Adoption und das Gefühl der Wurzellosigkeit. Blogbeitrag, 2019.
https://www.annafienbork.de/blogpost/adoption-und-das-gefuehl-der-wurzellosigkeit

Heller, Laurence and LaPierre Aline: Entwicklungstrauma heilen: Alte Überlebensstrategien lösen — Selbstregulierung und Beziehungsfähigkeit störken – Das Neuroaffektive Beziehungsmodell zur Traumaheilung NARM. Kösel-Verlag, 2013
—> sehr spannendes Buch über die Auswirkungen frühen Traumas auf unsere Fähigkeit mit uns und anderen in Kontakt zu sein.

Hinman, Jack: The Adoption Cluster: Abandonment, Attachment and Trauma in Teens.
https://www.newhavenrtc.com/attachment-disorder-treatment/the-adoption-cluster- abandonment-attachment-and-trauma-in-teens/

Hüther, Gerald: Die Folgen traumatischer Kindheitserfahrungen für die weitere Hirnentwicklung. 2012,
http://www.agsp.de/html/a34.html

Hüther, Gerald und Krens, Inge: Das Geheimnis der ersten neun Monate. Unsere frühesten Prägungen.
Beltz Verlag, 5. Auflage, Weinheim und Basel 2013
—> Sowohl der Artikel, als auch das Buch von Hüther geben einen hervorragenden Einblick in die frühe Prägung und deren Auswirkungen. Aus neurobiologischer Warte stellt er die Zusammenhänge zwischen dem Einfluss des Umfeldes und der kindlichen Entwicklung her.

Porges, Stephen W.: Die Polyvagal-Theorie und die Suche nach Sicherheit. Traumabehandlung, soziales Engagement und Bindung. Probst Verlag, 3. Auflage, Lichtenheim 2019
—> Die Polyvagal-Theorie ist ein wichtiger Meilenstein im Verständnis von Traumata. Neben dem Sympathikus und dem Parasympathikus, die bei bedrohlichen und ausweglosen Situationen entweder Kampf und Flucht oder den Totstell-Modus aktivieren, führt Porges einen neueren Strang Vagus-Nervs ein, der für unsere sozialen Fähigkeiten notwendig ist. So lange wir innerlich unter Stress stehen, ein Trauma noch nicht gelöst ist, ist die Aktivierung des sozialen Systems erschwert.

Ruppert, Franz: Frühes Trauma, Schwangerschaft, Geburt und erste Lebensjahre. Klett- Cotta; 3. Auflage, 2018
—> Gibt Einblick in die Grundbedürfnisse der Psyche und früher Traumatisierun. Zudem gibt es anschauliche Beispiele aus der Praxis mit dem Aufstellen von Anliegen.

Franz Ruppert: Symbiose und Autonomie. Symbiosetrauma und Liebe jenseits von Verstrickungen. Kösel Verlag, 5. Auflage, Stuttgart 2017
van der Kolk, Bessel: The Body Keeps the Score. Brain Mind and Body in the Healing of Trauma.
Penguin Bookd, USA 2015
—> Ein sehr anschauliches Buch, das die komplexen Auswirkungen von Traumata und mögliche Behandlungsformen nennt. Im Bereich von Traumata ein Standardwerk.

van der Kolk, Bessel: Developmental Trauma Disorder.
In: Psychiatric Annals; May 2005; 35,5; Psychology Module, pg. 401
—> Ein kürzerer Artikel, in dem van der Kolk auf das Entwicklungstrauma eingeht. Zwar wird Adoption hier nicht in den Vordergrund gestellt, aber dennoch treffen viele der Beschreibungen auf Adoptionssituationen zu.

Filme:

Das Beste für mein Kind. Mütter geben ihr Baby zur Adoption frei. Dokumentarfilm, ZDF, 2017

—> Berührender Film darüber, was leibliche Mütter, die ihre Kinder zur Adoption freigeben fühlen und welche Gedanken sie sich machen. .

Adoptiert – die Frage nach dem Warum, SWR 2019, auf arte Mediathek bis zum 30. Juli 2020 verfügbar
—> Film über junge Frauen in Südkorea, wo ein uneheliches Kind noch Schande bedeutet. Die jungen Mädchen werden häufig von ihren Eltern dazu genötigt, das Kind zur Adoption freizugeben.

Anne with an E., Serie, basierend auf „Anne of Green Gables“ von Lucy Maude Montgomery , CBC (Netflix), 2017-2019
—> Die innere Not von Waisen- bzw. Adoptivkindern wird hier sehr gut sichtbar. Auch die Anstrengungen, angenommen zu werden und ein zu Hause haben zu wollen sind eindrücklich dargestellt. Wenn Anne jemanden mag und gefallen will, dann zeigt sich z.B. ein impulsives Verhalten, das sie in dem Moment nicht ändern kann – angetrieben von ihrem Wunsch, dazuzugehören. Sie fühlt sich anders, nicht dazugehörig, fremd und das belastet sie sehr. Auch wenn heutzutage Adoptivkinder nicht mehr öffentlich degradiert werden, so fühlen sie sich doch oft so. In dieser Serie ist das abwertende Verhalten wie ein Spiegel für das innere Gefühl auf immer abgelehnt zu sein. Sicherlich wird in dieser Serie auch einiges idealisiert, aber mich hat die Geschichte berührt.

© Anna Fienbork